Äolische Inseln: Lipari, eine unmögliche Liebe und Malvasia

Warnend und schön liegen die Äolischen Inseln im Golf von Patti am Horizont. Unser Plan lautet: Schwefelgeruch atmen und den gemütlich qualmenden Stromboli-Kegel bestaunen. Doch es sollte anders kommen. Der Wind frischte auf und stattdessen fanden wir wunderliche Tiere, eine unmögliche Liebe und sizilianische Gastfreundschaft.

Die Äolischen Inseln oder Liparische Inseln, benannt nach Lipari, der größten unter ihnen, sind die Schule des Vulkanismus und als solche seit 2000 UNESCO-Weltnaturerbe. Hier sind die Geologen der aufbrechenden Erdkruste am längsten nah. Die Eruptionsarten der Vulkane haben ihren Namen von zwei Vulkanen der Inselkette erhalten: Stromboli und Vulcano. Wir wollen den Stromboli erkunden und das geht nur per Boot. Drei Tage habe ich mir für die Äolischen Inseln Zeit genommen.

Stromboli
Stromboli

Die Inselgruppe besteht aus sieben bewohnten Inseln mit etwas mehr als 13.000 Einwohnern. Das sind der Größe nach: Lipari, Salina, Vulcano, Stromboli, Filicudi, Alicudi und die kleinste Panarea, alle vulkanischen Ursprungs. Der Vulkan Stromboli ist der einzige, ständig aktive Vulkan Europas (und unter ständiger Beobachtung.) Richtig gefährlich sind eher die schlummernde Vulkane wie der Grande Fossa auf Vulcano oder große unterseeische Vulkane wie der Marsili.

Vulcano
Blick auf Vulcano

Von Lipari aus möchte ich die Äolischen Inseln erkunden. Drei Stunden dauert die Fahrt von Milazzo nach Lipari. Der Windgott Äolus hält sich bedeckt, die Überfahrt bleibt ruhig. Nach einem Zwischenstopp in Vulcano legen wir in Lipari an. Die Kathedrale San Bartolomeo auf ihrem hohen Felsen dominiert den Ort. Die ursprüngliche Kathedrale wurde im 16. Jahrhundert von türkischen Piraten zerstört und im barocken Stil wiedererrichtet.

Lipari Stadt mit Hafen und Kathedrale
Lipari Stadt mit Hafen und Kathedrale

Der Himmel ist blau, die Sonne wärmt, während der Wind uns erfrischt (und mich heimisch fühlen lässt, weil er mich an die Ostsee erinnert). Wir streifen durch den Ort Lipari, die Hauptstraße meidend, um ihn ganz für uns zu haben. Auf der Via Concordata steigen wir zur Kathedrale hinauf.

Via Concordata
Via Concordata

Der normannische Kreuzgang von 1131, erst 1978 wiederentdeckt, ist die schönste Überraschung bei der Besichtigung der Kirche. Mir gefallen die wunderlichen Tierkapitelle außerordentlich. (Die zwei Euro Eintritt haben sich für mich definitiv gelohnt.)

Normannischer Kreuzgang
Normannischer Kreuzgang
Tierkapitell im normannischen Kreuzgang
Tierkapitell im normannischen Kreuzgang

Von Inselkoller, Malvasia und Geschichten aus der Verbannung

Das beim Durchstreifen der Gässchen gefundene Restaurant 25 versorgt uns mit gefüllten Tintenfischen, Schwertfisch und einem ausgezeichneten Malvasia (liparischer Dessertwein, Empfehlung!). Bei der Begrüßung verrät uns der Besitzer zuerst, dass es heute leider keine Pizza gäbe, da der Pizzabäcker gekündigt habe. Wohl ein Fall von Inselkoller und fluchtartiger Rückkehr ans Festland, höre ich mich mich vorwitzig anmerken. Tiefes, schallendes Lachen ist die Antwort und die Bestätigung, dass ich das Problem von Lipari erfasst hätte. Die Sizilianer sind meisterliche Gastgeber, die es verstehen, dass ihre Gäste sich speziell fühlen. Der Besitzer kommt häufig aber unaufdringlich für ein kurzes Gespräch an unseren Tisch. Mir gefallen seine tiefe Stimme und der Akzent. Auch die französische Familie am Nebentisch wird so umsorgt. Der Besitzer stammt von Lipari und ist nach fünfzehn Jahren in England mit seiner englischen Frau an seinen Geburtsort zurückgekehrt. Flink wechselt er vom Italienischen ins Englische und erläutert unübersetzbare sizilianische Kraftausdrücke. Sein Englischlehrer Leonida Buongiorno habe ihm als jungem Burschen die Grundlage der Kommunikation beigebracht: Es gäbe nur zwei Arten, wie mit Menschen zu sprechen sei. Bei einem Nichtsnutz kremple man die Ärmel hoch (bereite die Fäuste vor), bei einem ehrlichen Mann ziehe man den Hut.

Leonida Buongiorno, Partisan und Führer der liparischen Kommunisten, ist in Italien für eine alle Grenzen sprengende Liebesgeschichte bekannt. 1945 wurde die älteste Tochter Mussolinis, die elegante Edda Ciano und eine Anhängerin des Faschismus, nach Lipari verbannt. Ciano und Buongiorno verliebten sich ineinander. Diese Liebesgeschichte wurde sogar als Fiktion von der RAI verfilmt. Auf einer Insel bleibt nichts verborgen, jeder kennt jeden, Anonymität gibt es nicht. Aber manchmal kann sie zu einem geschützten Ort werden, an dem unüberwindliche Grenzen zu fallen scheinen.

Obsidian, Handel und Piraten auf den Liparischen Inseln

Der mich so angenehm erfrischende Wind weht auf offener See allerdings böig bis stürmisch und zwei Tage lang fahren keine Boote zum Stromboli. Wir haben daher Zeit, den Kathedralenfelsen zu erkunden und alle Räume des archäologischen Museums ausführlich zu besichtigen. Es gibt viel zu sehen, denn die Inseln sind seit dem 5. Jahrtausend vor der Zeitenwende bewohnt. Im Neolithikum lieferten sie das begehrte Obsidian und ihre Bewohner kamen durch den Handel damit zu Wohlstand. Das aus abgekühlter Lava entstandene vulkanische Glas (mit geringem Wasseranteil und hohem Kieselsäureanteil, sonst entsteht Bimsstein) wurde als Rohstoff für Werkzeuge verwendet.

Obsidian
Obsidian

In der Antike kämpften Griechen und Karthager um die Vorherrschaft auf den Inseln, später nahmen die Römer sie ein. Mit dem Zerfall des Römischen Reiches wurden die Inseln zum Zufluchtsort für Piraten. Erst unter der Herrschaft der Normannen im 11. Jahrhundert ging es für die Liparischen Inseln wieder bergauf. Seit dem Überfall des Piraten Barbarossa im 16. Jahrhundert mit Plünderung und Versklavung der Bevölkerung waren die Inseln nicht mehr bewohnt, bis die katholische Kirche sie im 17. Jahrhundert erneut besiedelte. Erst der Ausbruch des Vulcano im Jahr 1888 beendete diese erneute Periode des Wohlstands, den sich die Bewohner durch den Handel mit dem Festland geschaffen hatten. Heute leben die Inseln vom Tourismus und bieten Künstlern, Ferienhausbesitzern und Prominenten Unterkunft. Panarea gilt als Insel der Reichen und Schönen, Alicudi als die der Deutschen, Salina als die der Künstler – hier werden Kapern angebaut, Lipari als die der Touristen.

Roadtrip Lipari – Auf der Suche nach dem Vulkan

Ob als Wanderung oder Roadtrip – auf Lipari gibt es zahlreiche Aussichtspunkte, die den Besuch lohnen. Und es gibt einige Erdöffnungen, aus denen Schwefelgeruch austritt.

Schwefellöcher auf Lipari
Schwefellöcher auf Lipari
Lipari Stadt bei stürmischem Wetter
Lipari Stadt bei stürmischem Wetter
Chiesavecchia mit Salina
Chiesavecchia mit Salina

Mögt ihr Vulkane? Kennt ihr die Liparischen Inseln schon? Was habt ihr dort erlebt?

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Kategorien Kulinarisch Natur Reisen Sizilien

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Stefanie lebt mit italienischer Familie am Lago Maggiore, im Norden des Piemont. Einen Ort entdecken heißt alle Sinne nutzen – sehen, hören, zuhören, berühren, schmecken. Die Sprache sprechen kann Wunder bewirken oder ein Tanz zu lokaler Musik!

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