April Borromäische Inseln Lago Maggiore

Insubrien – Einleben im Regen

Wie beginnt das Leben im neuen Land? Ich kann mich noch so gut darauf vorbereiten, Informationen besorgen, die Sprache lernen, wichtige Dokumente übersetzen, die Adressen der Behörden recherchieren, Pläne machen, packen. Am Ende werde ich etwas Wichtiges vergessen. Ich weiß noch nicht viel über mein neues Zuhause, dass ich bisher nur als Gast erlebt habe. Es hält Überraschungen bereit –  als Erinnerung daran, dass ich nicht perfekt vorbereitet sein kann oder muss. Das vergessene, wichtige kann etwas Unscheinbares, Banales sein –

so wie für mich ein Paar Gummistiefel. Denn mein neues Leben beginnt mit viel Regen. Tagelang, ganz ohne Unterbrechung. Und ohne Wind. Daher bin ich mit einem Regenschirm gut ausgerüstet. Wenn ich mich für einen Spaziergang von der Hauptstraße entferne, um ein paar Schritte den Hügel hinauf zu machen oder auch um eine weniger ausgebaute Straße entlang zu laufen. Aber über die Tage des Regnens haben auch bessere Straßen gewaltige Pfützen angesammelt. Die Pflanzen sind vollgesogen, triefend, voll kaltem, kühlen Regenwasser. Kein Wunder, dass ich nach drei Schritten auf einem Pfad bis zu den Knien nass bin – ich brauche Gummistiefel.

Piemont im Regen
Piemont im Regen
Wetterextreme - Verbania du Regenreiche
Wetterextreme – Verbania du Regenreiche

Die Reise in ein neues Leben, da Umzug also erfolgt am besten zu ebener Erde. In meinem Fall ist dies ein recht vollbepacktes Auto, in welchem ich mein altes Heimatland fast vollständig durchquere. Diese Fahrt gibt mir Zeit, den Moment des Übergangs bewusst zu durchleben. (Zwar bin ich schon seit Monaten mit der Umzugsplanung und seit Tagen mit dem Zusammenpacken beschäftigt, doch das ist etwas anderes.) Das Verlassen des Heimatlandes, sei es für eine längere Reise oder für immer, ist stets auch eine Reise zu sich selbst. Fern von der Heimat wird einem besonders deutlich, wer man ist, sein möchte oder sein wird.

Kurz hinter Schaffhausen in der Schweiz beginnt es zu regnen. Das Tempo nun gemächlicher, die deutschen Autobahnen liegen lang hinter mir. Hinter Zürich dann die erste Auskunft zur Lage am Gotthardtunnel – 13 km Stau bedeuten zwei Stunden Wartezeit. Aber ich habe keine Möglichkeit mehr auf den San Bernardino-Tunnel auszuweichen und so verstreicht mein Retardatio ohne wirklichen Ausweg, und der Regen unterstreicht den besonderen Moment des Übergangs – in den Süden der Alpen.

April 2013 049

April 2013 058

Insubrien! – Regenreiches neues Zuhause

Die Wolken hängen zum Teil direkt über dem See und verdecken die Borromäischen Inseln. Ich kann ihnen beim Aufsteigen zusehen. Zeitweilig sehe ich nichts mehr! Das Klima der Südalpen und besonders der Südalpenseen von Gardasee bis Lago Maggiore ist als insubrisches Klima (ein paar Fakten hier, pdf) bekannt. Dieses zeichnet sich durch sehr viele und stärkere Niederschläge in Frühling und Herbst sowie durch die hohe Zahl der Sonnenstunden aus. Hinzu kommen, ich bin nicht mehr überrascht, oft außergewöhnlich starke Niederschläge.

Borromäische Inseln in Regenzeit

Der Regen ist mein Geschenk. Er lässt mir Zeit, anzukommen und meine Dinge im Haus zu ordnen. Ich mag es, wenn alle Bücher wieder an ihrem Platz stehen und das Geschirr schon ausgepackt ist. In einem neuen Land gibt es immer etwas zu entdecken, zu lernen. Als neue Einwohnerin darf ich neugierig sein und Fragen stellen, bleibe Entdeckerin.

Borromäische Inseln verschwinden

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