Nachhaltig Reisen – Unterkünfte und Tourismusunternehmen

Im tiefsten Herzen bin ich grün … auch beim Reisen? Nachhaltiges Reisen ist komplex und bedeutet sich einzuschränken. Wer schränkt sich schon gern ein? Es gilt Flüge zu vermeiden oder zu reduzieren, denn in Sachen Klimaschutz besteht beim Fliegen der größte Hebel. Das stellt Fernwehgeplagte auf eine harte Probe. Um das Fliegen und die Verkehrsmittel ging es im ersten Teil der Artikelserie nachhaltig Reisen – (wie) geht das? Wie sieht es mit Hotels, Resorts und Campingplätzen aus? Was geht bei Golfplätzen und Kreuzfahrtschiffen (geht da überhaupt was)? Hier ist mein Versuch, (wichtige) Zertifizierungen und Labels im Tourismus zu entschlüsseln.

Unabhängige Zertifizierung im Tourismus – TourCert

Was ist unter nachhaltigem Reisen eigentlich zu verstehen? Nicht mehr fliegen? Nur noch Fahrrad fahren? Die Bewertung dessen, was Nachhaltigkeit im Tourismus bedeutet, übernehmen Organisationen wie TourCert, die Unternehmen im Tourismus zertifizieren. Die Unternehmen müssen ihre Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt in Nachhaltigkeitsberichten nachweisen und in ihrem Kerngeschäft zusätzliche soziale und ökologische Anforderungen erfüllen. Dabei stehen neben konkreten Verbesserungsmaßnahmen die Haltung der Unternehmen und ihre strategische Ausrichtung im Vordergrund. Das kommt schon ganz gut durch den Aufwand zum Ausdruck, den der Zertifizierungsprozess für die Unternehmen bedeutet. Die Zertifikate werden nur für ein oder zwei Jahre vergeben und müssen danach erneuert werden. So wird ein Verbesserungsprozess in Gang gesetzt.

Klar, Berichte schreiben, aber was heißt das nun konkret? Es geht um die stetige Verbesserung der Aspekte Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Umweltschutz und Biodiversität. Die konkreten Anforderungen unterscheiden sich je nach Unternehmen. TourCert zertifiziert Reiseveranstalter, Reisemittler und Unterkünfte. Für Reiseveranstalter gelten unter anderem folgende Kriterien: Umsatzrendite, Beitrag zur lokalen Wertschöpfung, Produktökologie: CO2-Emissionen pro Gast und Tag und Anteil der Kompensation, Qualität der Kundeninformation und die Zufriedenheit der Kunden und Mitarbeiter.

TourCert selbst ist eine gemeinnützige Gesellschaft, in der sich Experten aus Tourismus, Wirtschaft, Entwicklung und Umwelt engagieren. Die Geschäftspraxis der zu zertifizierenden Unternehmen wird durch unabhängige Gutachter geprüft. Derzeit (Januar 2014) sind 63 Reiseveranstalter zertifiziert.

Zertifizierung durch die Tourismuswirtschaft selbst – Green Globe

Die Tourismuswirtschaft vergibt das Siegel Green Globe an Reiseveranstalter, Destinationen, Hotels & Resorts, Golfplätze, Kongresszentren, Restaurants und Kreuzschiffe. Bei dem Blick auf die Liste kommen mir erste Zweifel. Golfplätze? Machen die nicht eher mit einem notorisch hohen Wasserverbrauch auf sich aufmerksam? Kreuzfahrtschiffe mit Schwerölantrieb? Wie sah es da gleich noch mit Schadstoffen in der Luft aus? Und die dicken Dinger schieben sich verantwortungslos durch die Lagunenstadt? Vielleicht bin ich zu voreilig und man holt die Golfplätze und Kreuzfahrtschiffe da ab, wo sie stehen. Schließlich sind Verbote keine Lösung.

Die Zertifizierungskriterien umfassen die Bereiche Nachhaltigkeitsmanagement (ich nenne es Verbesserungswille in allen Bereichen wie Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit, Qualität des Werbematerials, Nachhaltigkeit der Gebäude), sozialer und ökonomischer Einfluss (dazu gehören die Entwicklung am Standort, lokale Beschäftigung, fairer Handel, Respekt und Unterstützung für die lokale Bevölkerung, Mitarbeiterschutz), Schutz von Kulturgütern und ökologische Kriterien (wie Energie- und Wasserverbrauch, Emissionen, Abwasser, Wiederverwertung von Ressourcen und Recycling, Artenvielfalt und Landschaftsschutz). Das klingt alles sehr umfassend und eindrücklich. Zweifel kommen mir, als ich das Burj Al Arab unter den zertifizierten Hotels entdecke, das für mich – rein intuitiv – so gar nichts Nachhaltiges ausstrahlt. Überluxus assoziiere ich automatisch mit Ressourcenverschwendung. Aber ich lasse mich gern vom Gegenteil überzeugen.

Nachteil für meine Zwecke, das Reisen in Italien: in Italien gibt es nur drei zertifizierte Hotels.

Gibt es auch andere, unabhängige Zertifikate für Hotels und Unterkünfte? Ja!

Der Grüne Schlüssel der Stiftung für Umwelterziehung – The Green Key

Der Grüne Schlüssel der Stiftung für Umwelterziehung mit Sitz in Kopenhagen wird an umweltfreundliche Unterkünfte und Campingplätze vergeben. Die Stiftung ist eine Dachorganisation mit jeweils lokalen Mitgliedern. Entstanden ist das Programm 1994 in Dänemark. Seit 2002 wird es von der Stiftung als internationales Programm gefördert und ist seitdem in 40 Ländern präsent.

Die Zertifizierungskriterien umfassen die fünf Schwerpunkte: Umwelterziehung von Mitarbeitenden, Eigentümern und Kunden, Reduzierungen der Umwelteinwirkungen der Unterkunft und Ressourcenschonung. Die Kriterien erscheinen mir sehr praktisch und auf die Anforderungen von Unterkünften zugeschnitten. Bisher sind zehn Hotels in Italien mit dem Grünen Schlüssel zertifiziert, in Deutschland sind es 30, in Österreich vier und in der Schweiz sechs.

Umweltzeichen der EU – EU Ökolabel

Schwer zu glauben, dass die EU keine Meinung zu diesem Thema hat! Das Umweltzeichen der EU gibt es seit 1992. Es wird für zahlreiche Produkte aber auch Unterkünfte und Campingplätze vergeben. In jedem Mitgliedsland übernimmt eine Partnerorganisation die Prüfung, in Deutschland ist es das Umweltbundesamt, in Österreich das Lebensministerium. Kriterien für die Vergabe sind schonender Ressourcenverbrauch (Wasser, Energie, Müll) und der Einsatz erneuerbarer Energien.

In Italien mit Legambiente Turismo

Keine Frage – die Suche nach umweltfreundlichen Unterkünften in Italien beginnt bei Legambiente, der italienischen Umweltschutzorganisation. Die Auswahlkriterien sind: schonender Ressourcenverbrauch (Wasser, Energie, Müll), Naturschutz, regionale Wirtschaftskreisläufe und Lebensmittel und eine sanfte Mobilität.

Die Suche nach Unterkünften ist nach Regionen und Provinzen, Art der Unterkunft (Agriturismo, Hotel, Campingplatz, Hostel, Hütte), Landschaft (Land, Stadt, See, Meer, Berge) oder Festivals möglich. Fazit: Italienischkenntnisse oder Wörterbuch und ein Verständnis der Geografie Italiens sind nützlich!

Viele Labels und wenig Orientierung! Zum Schluss versuche ich ein Fazit: Bei der Vielfalt der Zertifizierungen und Labels ist eine bessere Orientierung notwendig. Wer sich nicht gut informiert, hat wenig Chance durchzublicken. Die Labels eignen sich noch nicht wirklich für die gezielte Suche nach einer Unterkunft, außer ich entscheide mich zuerst für eine definitiv nachhaltige Unterkunft und bin dann offener was deren genaue Lage angeht. Bei den Buchungsportalen im Internet spielen Nachhaltigkeitslabels bisher keine Rolle, zumindest tauchen sie als Kriterium bei den Filtern nicht auf. Das wundert mich etwas. Schließlich liegt nachhaltiger Tourismus im Trend: 40 Prozent der Deutschen bevorzugen einen umweltfreundlichen Urlaub – Tendenz steigend. Ein Filter für nachhaltige Unterkünfte wäre eine Option, sich von der Konkurrenz abzuheben.

Genau wissen wollen? – Tipps für die Lektüre

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Kategorien Reisetipps Übernachten

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Stefanie lebt mit italienischer Familie am Lago Maggiore, im Norden des Piemont. Einen Ort entdecken heißt alle Sinne nutzen – sehen, hören, zuhören, berühren, schmecken. Die Sprache sprechen kann Wunder bewirken oder ein Tanz zu lokaler Musik!

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