Interview mit Claudia von Go Southeast

Claudia vom Blog Go Southeast ist Spezialistin für die Geheimtippdestination Italiens – zumindest für mich: den Stiefelabsatz, wo man Italien manchmal nicht mehr von Griechenland zu unterscheiden vermag. Sie erzählt in reichen Texten und intensiven Fotos von Apulien (aber auch Basilikata), wo sie seit vielen Jahren ihre neue Heimat gefunden hat und hebt den Blick über das Meer nach Griechenland und Albanien.

1. Dein erstes Mal Italien? Du bringst mich bereits bei der ersten Frage zum Grübeln. Leider kann ich mich an mein erstes Mal in Italien nicht erinnern. Wie viele deutschen Familien, sind wir nach Italien in den Urlaub gefahren: Gardasee, Veneto, die üblichen Urlaubsziele der Deutschen in den 1980er Jahren. Mit der Volljährigkeit wurde ich aktiver und es ging vom Lago Maggiore in die Toskana bis nach Neapel. In Apulien bin ich dann geblieben.

2. Wohin führte Dich Deine letzte Reise in Italien? Ich bin meist in Apulien unterwegs. Eine meiner letzten Reisen innerhalb Italiens ging nach Rom. Die Ewige Stadt ist immer eine Reise wert, wie ihr auf meinem Blog nachlesen könnt. (Alles koscher in Rom). In Kürze folgen weitere Berichte aus der Hauptstadt Italiens. Ich lebe seit Mitte der 90er Jahre in Italien, wo ich studiert und geheiratet habe.

3. Was hat Dich in Italien überrascht? Gute Frage! Da ich bereits sehr lange in Italien lebe, ist sie für mich nicht einfach zu beantworten. Persönlich habe ich viel Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und auch Toleranz in Italien erfahren. Wirklich überrascht war ich bei meinem ersten Besuch in Apulien Anfang der 90er Jahre: Nach einer langen Zugfahrt von Frankfurt über Bologna bis nach Lecce, ging die Fahrt weiter in Richtung Otranto. Als ich endlich aus dem Auto ausstieg und mir den Ort angeschaute, war mein erster Gedanke: Oh, ich bin schon in Griechenland! Weiße Häuser mit flachen Dächern, die karge Landschaft – meine damaligen Vorstellungen von Italien entsprachen eher der Toskana.

4. Was begeistert Dich an Italien? Natürlich begeistern mich noch heute die Kunstschätze Italiens. Im Süden des Landes schätze ich die Kommunikationsfreude der Menschen sehr. Ich mag es, dass Freunde nicht nur ihre Kinder, sondern ab und an auch ihre Großmutter auf ein Fest mitbringen, damit sie nicht allein zu Hause bleibt. Im Dorf kauft man nicht einfach ein Brot, sondern erzählt dabei, was man heute kocht, was man gestern gekocht hat, wann der Besuch kommt, wie es den Eltern geht usw.

5. Was nervt Dich an Italien? Italien ist ein wunderschönes Land. Die italienische Bürokratie bringt alle Einwohner des Landes ab und an auf die Palme. Aber Deutschland ist auch nicht ohne, wie ich vor wenigen Tagen nochmals feststellen durfte. Was das alltägliche Leben in Italien schwierig macht, sind die hohen Steuersätze und die vielen versteckten Abgaben. Einfach war das finanzielle (Über-)Leben im Süden Italiens nie, aber die Krise hat das Problem verschärft. Ich denke, 99% aller Italiener teilen meine Meinung.

6. Dein Lieblingsort in Italien? Das ist natürlich der Süden Apuliens (Salento). Besonders gut gefällt es mir in Otranto im Winter.

7. Wohin musst Du nicht noch einmal fahren? Auch wenn Du sicherlich nicht meiner Meinung bist, aber nach Mailand muss ich nicht unbedingt nochmals fahren. Natürlich hat die norditalienische Metropole viel zu bieten, aber persönlich konnte ich der Stadt nichts abgewinnen. Vielleicht habe ich sie immer zum falschen Zeitpunkt besucht.

8. Wo entlang führt Dich ein Roadtrip durch Italien und welche Musik hörst Du dabei? Auf einem Roadtrip durch Apulien fahre ich durch den Salento und die Terra di Bari und höre Negramaro und natürlich Caparezza. (Negramaro ist eine salentinische Musikgruppe. Der Rapper und Liedermacher Caparezza stammt aus Molfetta, Bari).

9. Was sollte lesen, wer Italien besser verstehen möchte? Ich kenne kein Buch, das Italien erklärt. Natürlich gibt es Bücher, die einem die politische Situation erläutern (zumindest in Ansätzen) oder einem eine Region näherbringen. Ein gutes Beispiel für die Basilikata (Lukanien) ist „Christus kam nur bis Eboli“ von Carlo Levi. Um Italien wirklich verstehen zu können, muss man natürlich die Sprache beherrschen und mit den Sitten und Gebräuchen vertraut sein. Das Italien oder der Italiener existiert nicht. Stereotype Beschreibungen Italiens und seiner Einwohner, wie man sie leider auch heute noch bzw. wieder vermehrt in der deutsche Presse lesen kann, ertrage ich nur in bester Laune 😉

10. Wohin sollte fahren, wer Italien kennenlernen möchte? Ich glaube nicht, dass man an einem Ort oder in einer Region Italien kennenlernen kann. Je weniger Touristen vor Ort sind und je kleiner eine Stadt ist, desto höher ist die Chance ein Stück authentisches Italien kennenzulernen. Man sollte sowohl den Norden, als auch den Süden des Landes besuchen, wenn man Italien kennenlernen möchte.

11. Der wichtigste Satz auf Italienisch für Dich? Ein wichtiger Satz auf Italienisch? Se no vegnu osci vegnu crai, se no vegnu crai vegnu piscrai, se no vegnu piscrai, vegnu piscriddri. Se no vegnu piscriddri vegnu piscroddri. (Wenn ich heute nicht komme, komme ich morgen. Wenn ich morgen nicht komme, komme ich übermorgen. Wenn ich übermorgen nicht komme, komme ich überübermorgen. Wenn ich überübermorgen nicht komme, komme ich überüberübermorgen.) Ein Wortspiel aus dem südlichen Apulien – selbstverständlich nur als Scherz gemeint. Wichtige Sätze sind „non fa niente“ (Macht nichts!), „non ti preoccupare“ (Mach Dir keine Sorgen) und „la vita è bella“ (Das Leben ist schön).

12. Dein liebstes Italiensouvenir? Souvenirs bringe ich aus Deutschland mit. Wenn wir den Salento verlassen, darf die „moka“ und ein Päckchen „Quarta Caffé“ im Gepäck nicht fehlen. (PS: Quarta Caffé ist ein beliebte Kaffeemarke mit Kultstatus aus Lecce.)

13. Dein Lieblingsitaliener oder Italienerin? Einen Lieblingsitaliener habe ich keinen. Ich habe immer Rita Levi Montalcini bewundert. Als Wissenschaftlerin und Frau war sie ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus.

Vielen Dank, Claudia, für’s Mitmachen!

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